· Pressemitteilung

Die Angst von der Seele reden

Mit dem Einsatz des Kriseninterventionsteams an der Mittelschule in Tirschenreuth ist Jürgen Sollfrank bestens zufrieden. Über viele Stunden hinweg boten die für ihre Aufgabe besonders geschulten Kräfte den traumatisierten Kindern zusammen mit der Schulpsychologin eine gezielte Betreuung zur Aufarbeitung des schrecklichen Unfalls an. Bild: bz
Quelle: "Der Neue Tag" vom 20.10.2011
Nach dem Unfall vom Mittwoch traumatisierte Schüler nehmen professionelle Hilfe gerne an

Tirschenreuth.

(bz) "Die Bilder werden die Kinder nicht so schnell vergessen", weiß Jürgen Sollfrank. Aber auch, dass reden hilft. Und deshalb haben der Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis und seine Mitstreiter vom Kriseninterventionsteam und der Notfallseelsorge in den vergangenen Stunden viel geredet - und noch mehr zugehört. Der schreckliche Unfall vom Mittwoch, bei dem vor den Augen der Tirschenreuther Schüler ein 86 Jahre alter Radfahrer unter die Räder eines Holzlasters geraten war (wir berichteten), hat die Kinder traumatisiert. Rund 25 Buben und Mädchen im Alter von 11 bis 13 Jahren benötigten anschließend psychologische Betreuung. Drei Stunden lang versuchten die Helfer, in intensiven, behutsamen Gesprächen mit ihnen das Geschehen aufzuarbeiten. Dann wurden die Kinder entweder von den Eltern abgeholt oder von der Fahrbereitschaft des Roten Kreuzes nach Hause gebracht.

 

Ein Teufelskreis

 

Bei einigen Buben und Mädchen reichte das aber nicht aus. Es kam zu einer sogenannten Hyperventilation. Dabei führen Angst und Erregung des Gesehenen zu einer starken, fast schon panischen Atmung. Es wird vermehrt Kohlendioxid ausgestoßen, das der Körper aber braucht und sich durch noch stärkeres und noch tieferes Atmen wieder holen will und noch mehr CO2 ausatmet. "Ein Teufelskreis", so Sollfrank, "der dann zu Kreislaufproblemen führt." Deshalb erhielten die Betroffenen ein Beruhigungsmittel, dessen Wirkung aber medizinisch überwacht wird. Deshalb wurden vier Schüler in die Kinderklinik nach Weiden gebracht, die sie aber am Donnerstag wieder verlassen durften. Ein Schüler war zur ambulanten Behandlung im Tirschenreuther Krankenhaus. Mehr noch als die körperlichen Beschwerden zählen aber die seelischen. Deshalb war das Kriseninterventionsteam zusammen mit der Schulpsychologin Sabine Ziegler am Donnerstag erneut in der Johann-Andreas-Schmeller-Schule und bot über die Lehrer ihre Hilfe an. Und Gesprächsbedarf war offensichtlich vorhanden. Die einen Schüler klagten über Schlafstörungen, andere wollten einfach nur reden. Oder eine Antwort auf quälende Fragen, wie etwa, ob der getötete Radfahrer noch leiden musste. Drei Kinder wurden am Donnerstag wegen der Nachwirkungen des Verkehrsunfalls von den Eltern krank gemeldet. So viel Verständnis der Leiter des Rettungsdienstes dafür aufbringt, so sehr rät er, doch möglichst schnell in die alte Routine zu kommen. "Das hilft." Gleichwohl weiß Jürgen Sollfrank auch, dass das Gesehene lange Zeit nicht aus den Köpfen gehen wird. Und damit das nicht problematisch wird, rät er Eltern und Lehrern auf mögliche Anzeichen zu achten. "Etwa, wenn ein bislang aufgeschlossenes Kind sich plötzlich zurückzieht."

 

Optimal gelaufen

 

Auch wenn es der erste größere und wohl auch bislang schwerwiegendste Einsatz für das Kriseninterventionsteam war: "Es ist optimal gelaufen", sagt Jürgen Sollfrank zu dem außergewöhnlichen Szenario. "So etwas lässt sich nicht üben." Und das sieht auch der Leiter des Tirschenreuther Schulamtes so. Wolfgang Krauß lobt die professionelle Vorgehensweise. "Auch die Lehrer wussten sehr gut mit der nicht leichten Situation umzugehen."