Einen fairen Leistungswettbewerb fürchtet das Bayerische Rote Kreuz nicht. Aber Präsident Theo Zellner warnt vor einem "Primat der Wirtschaftlichkeit". Er fürchtet um die Versorgung im ländlichen Raum.
Von Holger Stiegler
Erbendorf. Theo Zellner steht weiter an der Spitze des BRK-Landesverbandes. Die Delegierten der Landesversammlung bestätigten den 68-Jährigen aus Bad Kötzting am Samstagmittag in der Stadthalle Erbendorf mit 94,3 Prozent der gültigen Stimmen als Präsidenten des Bayerischen Roten Kreuzes. Zuvor hatte er eindringlich davor gewarnt, die Rettung von Menschen dem Marktwettbewerb preiszugeben. Ebenfalls wiedergewählt wurden die Vizepräsidenten Brigitte Meyer und Paul Wengert.
"Der Ausschreibungs- und Vergabewahnsinn von höchst sensiblen Leistungen der Daseinsvorsorge muss aufhören", forderte Zellner vor den knapp 400 Delegierten mit Blick auf jüngst weiter verschärfte Ausschreibungsvorschriften, in denen vor allem der Preis von rettungsdienstlichen Leistungen als herausragendes Bewertungskriterium gelte. Zellner betonte, dass man sich einer fairen Leistungsbewertung und auch jedem Vergleich stelle. Ein "Primat der Wirtschaftlichkeit" lehne er aber ab, weil allein der Blick auf den Preis im System der Hilfeleistung dem Schutz und der Sicherheit der Bevölkerung nicht gerecht werde.
Gewachsene und bewährte Strukturen würden nach Ansicht Zellners in Gefahr geraten, wenn das Ausschreibungs- System so geändert werde, dass der Krankentransport vom Rettungsdienst "losgelöst" ist und für alle Anbieter ausgeschrieben werden kann. Gerade in ländlichen Räumen könne diese Fehlentwicklung, so Zellner, die Versorgung gefährden.
Dank der Arbeit der Ehren- und Hauptamtlichen des BRK, so Zellner, sei Bayern "ein Stück sicherer und gerechter" geworden - im Katastrophenschutz sowie im Land-, Berg- und Wasserrettungsdienst. Zahlreiche Großschadenslagen konnten bewältigt werden, als Beispiele nannte Zellner das Zugunglück von Bad Aibling, die Flutkatastrophe von Simbach oder die Jahrhunderthochwasser von Deggendorf und Passau. Daneben gebe es auch verstärkt Einsätze bei Situationen mit terroristischem Hintergrund wie in Ansbach und Würzburg oder auch beim Amoklauf in München. Diese Veränderung der Rahmenbedingungen müsse sich in Aspekten der finanziellen Ausstattung oder beispielsweise in der geplanten speziellen Trainings- und Simulationseinrichtung für besondere Einsatzszenarien in der Oberpfalz niederschlagen. "Die Forderungen des Roten Kreuzes sind kein Selbstzweck", sagte Zellner.
Joachim Herrmann, als Innenminister zugleich auch "BRK-Minister", betonte, dass man in einer Zeit lebe, in der das Thema Sicherheit ständig mehr Dimensionen erfasse. "Sicherheit ist mehr als nur der Schutz vor Kriminalität." Die Arbeit von Sicherheits- und Einsatzkräften wie Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen verzahne sich immer mehr. "Es gibt neue gesteigerte Anforderungen und es gibt neue Einsatzsituationen", so der Minister mit Blick auf Naturkatastrophen und terroristischen Herausforderungen. Herrmann kündigte an, noch vor Weihnachten mit dem Konzept des neuen Trainings- und Simulationszentrums in der Oberpfalz in den Ministerrat zu gehen.
Der Minister versprach zudem Unterstützung bei der Nachwuchsgewinnung. "Das ist auch ein staatliches Interesse", so Herrmann. Eine klare Absage erteilte Herrmann Bestrebungen auf EU-Ebene, eigene Einsatzkräfte beispielsweise bei der Waldbrandbekämpfung oder anderen möglichen Themen des Katastrophenschutzes aufzustellen: "Das ist völlig weltfremd und verfehlt."
Drei Fragen an BRK-Präsident Theo Zeller
Immer wieder hört man von Beschimpfungen und Attacken auf Sanitäter während des Einsatzes. Wie schätzen Sie das ein?
Theo Zellner:
Das sind glücklicherweise nur Einzelfälle, aber in der Tat schlimme Einzelfälle. Darin zeigt sich eine enorme Respektlosigkeit vor Leuten, die anderen helfen. Dass hier die Strafen härter geworden sind, ist ein wichtiges Signal. Gesellschaft und Politik können und dürfen hier nicht wegschauen.
Der Feuerwehrmann, der Gaffer bei einem Unfall mit dem Schlauch bespritzt hat, hat große mediale Aufmerksamkeit bekommen. Wie stehen Sie zu der Sache?
Ich habe volles Verständnis für den Feuerwehrmann. Gaffer behindern den Einsatz von Rettungskräften, mit ihren Videos und Fotos bedienen sie Voyeurismus in höchstem Maße. Wer so etwas dann auch noch in die "Sozialen Medien" stellt, ist nicht sozial, sondern verachtet seine Mitmenschen.
Wie geht es mit der geplanten neuen Trainings- und Simulationseinrichtung weiter?
Dass der Innenminister noch vor Weihnachten damit ins Kabinett geht, habe ich heute mit Freude vernommen. Damit sind wir nun einen bedeutenden Schritt weiter. Als nächstes muss man sich Gedanken zur Finanzierung machen und wie dies in mehreren Stufen umgesetzt wird. Mein Wunsch wäre, dass es in der zweiten Jahreshälfte 2018 gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen und der Polizei los geht.
Quelle: Der neue Tag / onetz.de
(stg)