Krankenkassen verweigern erforderliche Gebührenanpassung
Ambulante Pflege vor großen Problemen
Tirschenreuth/Kemnath. Steigende Personal- und Energiekosten, Erhöhung der Mehrwertsteuer, steigende Inflation, und das bei einer Refinanzierung, die sich seit 2004 nicht verändert hat: Nachdem die Arbeitsgemeinschaft der Pflege- und Krankenkasseverbände in Bayern eine angemessene Gebührenerhöhung verweigert, stehen die ambulanten Pflegedienste im Landkreis Tirschenreuth vor großen finanziellen Problemen. Mit einer konzertierten Aktion haben deshalb die Freien Wohlfahrtsverbände auf die Folgen der mangelhaften Refinanzierung aufmerksam gemacht. Vertreter von ARV, Arbeiterwohlfahrt, BRK und Caritas informierten in einem Offenen Brief, den sie Landrat Wolfgang Lippert überreichten, über die Situation und baten um Unterstützung. Gleichlautende Schreiben gehen an die politischen Mandatsträger der Region sowie die vor Ort vertretenen Krankenkassen. Auch AOK-Direktor Hans Ott sollte dieser Brief persönlich übergeben werden - trotz vorheriger Vereinbarung des Termins war er jedoch nicht zu sprechen.
Eine vorübergehende Gebührenerhöhung um 2,5 % hatten die Wohlfahrtsverbände in den Verhandlungen mit den Kassen zuletzt gefordert, und angeboten, diese Erhöhung im Laufe des Jahres anhand von 80 Musterdiensten zu überprüfen.
"Je nach Datenlage sollten die Gebühren dann angepasst werden", erklärte Holger Schedl vom BRK-Kreisverband. Das Gegenangebot der Kasse beläuft sich auf 1,11 % - zu wenig, um die ambulante Pflege durch die Verbände im Landkreis Tirschenreuth auf Dauer sicher zu stellen.
Seit mehr als vier Jahren arbeiten die ambulanten Dienste ohne eine Anpassung der Gebühren durch die Kostenträger - und dies, obwohl seit der letzten Gebührenerhöhung im Jahr 2004 die Personal- und Sachkosten deutlich gestiegen sind. So beträgt die durchschnittliche Steigerung der Personalkosten im öffentlichen Dienst ca. 8 %, die Inflationsrate im selben Zeitraum 5,5 %.
In einem Offenen Brief an Politiker fordern die Verbände nun zum Eingreifen auf. "Auch wenn die Politik keinen direkten Einfluss auf die Verhandlungspolitik der Kassen hat, muss sie doch ihre Verantwortung für die Pflegebedürftigen in Bayern wahrnehmen", so Jürgen Kundrat von der Caritas.
Hannelore Bienlein-Holl von der AWO betont, dass die Pflegedienste in den vergangenen Jahren durch Optimierungen in den internen Abläufen und den Tourenplanungen es geschafft haben, das Auseinanderklaffen von Kosten und Einnahmen zu reduzieren. Zudem wurden vermehrt Spenden und bei den kirchlichen Verbänden kirchliche Mittel zur Finanzierung herangezogen. Die Mitarbeitenden haben diese Maßnahmen engagiert mitgetragen. Jetzt sind diese internen Maßnahmen erschöpft. "Alle weiteren Maßnahmen würden auf Kosten der Mitarbeitenden und vor allem der Patienten gehen und sind nicht mehr zu verantworten", so Helmut Sturm vom Allgemeinen Rettungsverband.
Eine Einschränkung der flächendeckenden Versorgung durch ambulante Pflegedienste als Folge der Politik der Kassen hätte eine deutliche Zunahme von Aufnahmen ins Altenheim oder Krankenhaus aufgrund von Versorgungsengpässen und damit in diesem Bereich eine spürbare Kostensteigerung zur Folge - eine Entwicklung, die auch Landrat Lippert nicht verstehen könnte.
Die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände im Landkreis Tirschenreuth fordert die Kassen auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren "Wir haben ein Angebot vorgelegt, das uns alles abverlangt. Nun müssen sich die Kassen ebenfalls bewegen."